ruralis infernalis 7 (EU-Verordnung)

Auf dem Land, so denken wir Stadtmenschen, da ist die Welt noch in Ordnung …

Knecht 1:   Darf ich der gnädigen Frau beim Öffnen des Busenhalters behilflich sein?
Knecht 2:   Büstenhalter! Das heißt: Büstenhalter.
Knecht 1:   Also gut. Büstenhalter. Und was heißt: Höschen? Etwa Höschen?
Knecht 2:   Ganz genau. Höschen heißt Höschen.
Knecht 1:   Aber die Watschn, die heißt Ohrfeige.
Knecht 2:   Richtig. Wüst a Watschn heißt: darf ich ihnen eine Ohrfeige applizieren.
Knecht 1:   Während ich beim Höschen nicht umzudenken brauche und sagen kann:
darf ich der gnädigen Frau beim Ausziehen des Höschens behilflich sein,
muss ich, wenn es um die Watschn geht, in eine gänzlich andere
Richtung denken und muss statt Watschn dann Ohrfeige sagen.
Meinst du, wir kriegen das auf die Reihe?
Knecht 2:   Da bin ich mir nicht sicher. Die deutsche Sprache ist eben eine viel
schwierigere als die österreichische.
Knecht 1:   Der Bauer hat uns das österreichisch Sprechen auf dem ganzen Hof
strikt verboten. Alles wegen den Touristen. Nur er, der Bauer, er darf noch
österreicheln, weil er sich selbst eine Sondergenehmigung ausgestellt hat.
Knecht 2:   Wir müssen also künftig deutsch sprechen, weil sonst die Touristen uns
nicht verstehen tun täten.
Knecht 1:   Vastehn tuan tatadn. Vastehst? Tuan tatadn. Mei, wor des sche.
Knecht 2:   Das … ist leider Vergangenheit. Der Tourismus trifft uns mit geballter
Kraft und tritt unsere Traditionen mit seinen ungesunden
Schweissesfüssen. Stampf. Stampf.
Knecht 1:   Und was ist mit unseren liebevollen Bezeichnungen für den
Geschlechtsverkehr? Das Nageln, das Schnacksln, das Bu…
Knecht 2:   Bist’ still! Das ist jetzt klarerweise ebenso verboten. Dafür sind wir keine
Knechte mehr sondern „Agrotech Management Assistantes“, wie Herr Dino
neulich zu uns gesagt hat.
Knecht 1:   Ja, unsere gesamte Schweinezucht ist auf die hochmoderne deutsche
„Pig Production under Low Cost Aspects and Super High Yield
Orientation“, also kurz: PPuLCAaSHYO, umgestellt worden. Ich habe
jetzt eine Arbeitsplatzbeschreibung, die ist 1.347 Seiten lang, obwohl ich
nur Schweine füttere. Dafür haben sich die Fütterungsmodalitäten den
neuesten EU-Verordnungen angepasst und sind dementsprechend
komplizierter geworden.
Knecht 2:   Nicht komplizierter, nur umfangreicher. Aber Ruhe! Da kommt unser
Chief Executive Officer.
Bauer:        Hob’z die Schweindln heit scho g’fiadat?
Knecht 1:   Meinen sie jetzt die männlichen Jungtiere in Alter zwischen 12 und 17
Wochen, die in den ungeraden Monaten von Montag bis Mittwoch
zwischen 8:36 und 8:52 aus einer Fütterungshöhe von maximal 27 cm
versorgt werden dürfen oder meinen sie die weiblichen Jungtiere mit
den Vornamen von A bis F mit einer Hautfarbe zartrosa bis dunkelrot
und einer Borstenlänge von unter 17 mm?
Bauer:        I bring eich olli um Â… Büroktrateng’frasta!


Fortsetzung folgt … oder auch nicht …

9 Gedanken zu “ruralis infernalis 7 (EU-Verordnung)

  1. Da fällt mir spontan dazu ein, dass man das Unternehmen in Franken wie in Ösiland getrost „Big Pig“ nennen könnte, ohne dass jemand auf die Idee käme, dass es irgendwas Schweinisches ist ;D

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  2. Ahhh – Schweindln … ist ja säuisch *g*

    Egal, wie sich die Arbeitsbedingungen der Agrotech Management Assistantes verändert haben – solang’s gut durch ist :>>

    Gruß,
    c70

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  3. Bereits die Umstellung der Schweinezucht auf die höchst moderne „Pig Production under Low Cost Aspects and Super High Yield Orientation“ deutet den Paradigmenwechsel an, der möglicherweise im Zu-Grabe-Tragen tradierter Lebensweise seinen Gipfelpunkt finden könnte, wie Knecht Nr. 2 aus einem, seinem Bauchgefühl heraus zu ahnen imstande ist.

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  4. Ja, das ist die konsequente Fortsetzung des Weges den man bereits im Gesundheitswesen eingeschlagen hat, wo ab 1.1.2010 nicht mehr die Ärzte operieren, sondern man dem Patienten das Skalpell in die Hand drückt und er auf einem Monitor erkennen kann, wo und wie er an sich schneiden soll.

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  5. Das hat der mitteldeutsche Hu-Moor-Bademeister Lothar Kusche allerdings bereits vor Jahrzehnten höchst spaßhaft auf den Punkt gebracht: unterhalten sich zwei alte Bekannte in der Bahn; sagt der Eine, er wüßte noch nicht, was er am Wochenende tun solle und wolle; sagt der Andere, er hätte doch jetzt dieses tolle OP-Besteck geschenkt bekommen, er würde sich wahrscheinlich mal so zur Erwärmung die dritte Leber transplantieren…

    So sinngemäß… Muahahaha!

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