George Orwell war gestern. Neusprech auch.
Die Wirklichkeit hat nicht nur 1984 weit hinter sich gelassen, die Sprachpolizei klopft auch an deiner Tür, lieber Liam, Joko, Tim, Lio und Neo, sie treten auch deine liebevoll Bieber geposterte Tür ein, liebe Heaven, Serenity, Alina und Renesmee (der Name klingt ein bisschen wie eine Marke für Slipeinlagen … aber was weiß Herr Ösi schon von Slipeinlagen?) [1], zwecks Abholung und Einweisung ins Umerziehungscamp, wenn du eins von den verbotenen Wörtern ausspricht, wie das N-Wort oder das Z-Wort oder wie viele andere, die ständig mehr und mehr und mehr werden.
Nein, Herr Ösi denkt jetzt nicht wie du vielleicht denkst an den kleinen, aufgeblasenen Möchtegern-Komiker, der da singt: Du hast ein Problem? Ich hab Polizei! und sich diebisch freut, dass nun sogar die Politik – freilich bloß aus Ermangelung an wirklich sinnvollen Aufgaben und Herausforderungen – sich für ihn interessiert.
Das Problem ist folgendes: Schreibt einer einen Text, ein Taktrat, egal zu welchem Thema, liegt der Verdacht nah, der Schreiber verfasse seine Zeilen aus einem gewissen Geltungsdrang, aus dem niedrigsten aller Beweggründe heraus, nämlich, sich zu profilieren, sich in den Vordergrund zu schieben, was für obigen Möchtegern-Dingens leider leidlich zutrifft, der da prustet, er hätte Polizei, Nachtsichtgeräte, eine Walther und und und. – In der Tat, im Moment hat er tatsächlich Polizei, Nachtsichtgeräte und möglicherweise einen Walther, weil unter Polizeischutz stehend … chchch [2] …
Oder, schlimmer noch, man unterstellt ihm – jetzt ist wieder der echte, der ernstzunehmende Texter gemeint – seine eigenen Gedanken und Meinungen dem geneigten Publikum ungefragt aufzudrücken, aufzuzwingen, sprich Manipulation etcetera.
Einerseits sind die Medien vollgestopft mit Leitartikeln, in denen neumalkluge Schreiberlinge den Menschen unentwegt instruieren, was er zu tun und wie er zu leben hat, beziehungsweise wie und was er zu denken hat und was er auf gar keinen Fall denken darf und noch weniger aussprechen wagen sollte.
Andererseits sind die Leute seit Jahrtausenden gewohnt, dass „Die da Oben“ für sie denken, ihnen sagen, wo’s lang geht, tatkräftig unterstützt von BILD-Zeitung und anderweitigen Qualitätsjournalismus. Bei der Niederschrift des Wortes „Qualitätsjournalismus“ musste Herr Ösi jetzt ein bisschen kotzen. Glücklicherweise hat es keiner gesehen …
Aber …
in einer Diktatur kannst du nicht schreiben was du willst, da musst du die Worte sorgfältig abwägen. Der Unterschied zwischen einer Diktatur a la Nordkorea und einer Diktatur a la Deutschland besteht darin, dass Kim Soundso der Alleinentscheider über 25 Millionen Einwohner ist, während die Kanzlerin Alleinentscheiderin über 80 Millionen … künftig wohl bald über 100 Millionen Einwohner und mehr sein wird. Der Unterschied zwischen der einen und der anderen Diktatur ist letztendlich im (vereinzelt noch vorhandenen) Wohlstand begründet, der aber bröckelt wie die heruntergekommenen Brücken, Straßen, ja die gesamte Infrastruktur des Landes.
Herr Ösi ist sich seit langem der Diskrepanz zwischen dem Dreigestirn Schreiber, Text und Leser bewusst und eröffnet mit NeuText den Bürgern sowie den Diktaturen eine neue Sichtweise auf sich selbst und die Welt.
Der Rezipient erhält statt des üblichen Textes ein Konglomerat bestehend aus einer beliebigen Anzahl von Wörtern, die er nach eigenem Gusto reihen, und oder, wenn es ihm beliebt, ergänzen und, ja sogar weglassen darf, wenn sie ihm nicht ins Konzept passen. Der NeuTexter, wie der Leser ab sofort genannt werden soll, bildet sich nun, ohne schädlichen Einfluss von Außen, erstmalig sein eigenes Bild (aber bitte nicht BILD) … was natürlich anfangs für den einen oder anderen jahrzehntelang in Routine verharrenden Befehlsempfänger durchaus in eine ungewohnte wie schmerzhafte Erfahrung münden könnte.
Im oben abgebildeten Beispiel hat der NeuTexter die Möglichkeit, unliebsame Elemente, wie die Nudelsuppe oder – warum nicht – die Kanzlerin ganz einfach wegzulassen und durch Annehmbares zu ersetzen.
Think-Whatever-You-Want-Text, hat sich Herr Ösi als Pendant zu NeuText, vor allem der Internationalität wegen, gleich auf dem Amt eintragen und patentieren lassen, sowie TWYWT als passende Abkürzung.
Ti-dablju-wei-dablju-ti, das klingt ziemlich melodiös, man hat unweigerlich die Abkürzung, wenn nicht gar den Song YMCA im Ohr und stellt sich vor, die Bandmitglieder der Village People kämen direkt als Zombies verkleidet aus einer virtuellen Gruft hervor gekrochen.
Mit NeuText oder TWYWT ist künftig selbst der zynisch-kritischste Autor jederzeit politisch voll korrekt, vermeidet peinliche Entgleisungen und alle Arten von herumliegenden Fettnäpfchen, in die er früher, sei es tölpelhaft unfreiwillig oder absichtlich bösartig, so gern hinein getreten ist.
Anmerkungen:
[1] sind die modernsten und beliebtesten Vornamen in D
[2] anstatt chchch könnte auch hihihi, hehehe oder hohoho stehen, aber chchch ist einfach, guttural, klassisch & gut